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EU-Verbraucherrückgewinnung

By Peter Rosenstreich
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Europäische Verbraucher leben La Dolce Vita und unterstützen den weltweiten Wirtschaftsaufschwung

Das Dolce Vita oder das gute Leben, um das die Europäer gleichermassen beneidet wie bewundert werden, erlebt eine lang ersehnte Renaissance. Die geliebten alten Zeiten unserer kultivierten kontinentalen Zeitgenossen kehren zurück und werden noch mehr als früher genossen: Man speist wieder in Innenräumen und al fresco, Kinos und Theater sind voll, und man möchte seine Uhr auf die Zeit des Aperitivo einstellen.

Dies alles deutet darauf hin, dass die Stimmung besser geworden ist und die Märkte wieder Tritt fassen, denn das Vertrauen der Verbraucher in der Eurozone ist wieder da. Trotz einer Reihe beunruhigender Wirtschaftsnachrichten, wie höhere Energiekosten, anhaltende Unterbrechungen der Versorgungskette und eine mögliche Konjunkturabschwächung in China, haben die hohen COVID-19-Impfraten in weiten Teilen Europas der Rückkehr zum Dolce Vita den Weg geebnet.

Die Impfkampagne der Europäischen Union wird als eine der erfolgreichsten Impfaktionen der Welt gepriesen. Nach offiziellen Angaben sind nach heutigem Stand mehr als 72 % der Erwachsenen über 18 Jahren in der EU vollständig geimpft, im Vergleich zu 66 % der Amerikaner über 18 Jahren.

Der Aufschwung wird auch auf die Wiedereröffnung von Schulen und Arbeitsplätzen zurückgeführt, wovon zahlreiche Unternehmen und Dienstleister profitieren, die ihre Rolle im Wirtschaftsleben wieder einnehmen. Die Daten zeigen, dass Flughäfen und öffentliche Verkehrsmittel in der Eurozone schon wieder sehr hohe Auslastungen seit Beginn der Pandemie Anfang 2020 erreicht haben.

Nach Angaben von S&P haben die europäischen Verbraucher während der Pandemie mehr als 300 Milliarden Euro (350 Milliarden Dollar) an zusätzlichen Bargeldreserven angehäuft, und alles deutet darauf hin, dass sie jetzt Lust auf eine Einkaufstour bekommen könnten.

Darüber hinaus erhalten Länder in ganz Europa Zuschüsse und günstige Kredite aus dem 800 Milliarden Euro (940 Milliarden Dollar) schweren Konjunkturprogramm der EU. Das Konjunkturpaket wird das BIP der Eurozone bis 2026 voraussichtlich um 3,9 % ansteigen lassen.

Allerdings könnte das Wachstum in der Eurozone in den kommenden Monaten einen Dämpfer erhalten. Denn die Konjunkturabschwächung in China könnte Auswirkungen für die Exporteure haben, der internationale Reiseverkehr ist immer noch etwa 30 Prozent niedriger als vor der Pandemie und die Probleme in der Lieferkette haben die Hersteller hart getroffen, was sich in einem unerwartet starken Rückgang der jüngsten Umfragen zum Geschäftsklima zeigt. Die deutschen Daten zur Lkw-Fahrleistung, die als Indikator für die Industrietätigkeit gelten, verharren auch im Jahr 2021 auf einem niedrigen Niveau.

Die Volkswirtschaften der Vereinigten Staaten und Chinas haben wieder das Niveau von vor der Pandemie erreicht, und auch wenn die Eurozone jetzt vor einem kräftigen Aufschwung steht, hat der Kontinent weiterhin Nachholbedarf, wobei er den Vorteil hat, einige der grossen Fehler vermieden zu haben, die jetzt die Aussichten für die Vereinigten Staaten und China eintrüben.

Die Ratingagentur Standard & Poor’s hob letzte Woche ihre Wachstumsprognose für Europa für das Jahr 2021 von 4,4 % auf 5,1 % an und begründete dies mit der raschen Verbesserung der Wirtschaftsleistung, der Situation am Arbeitsmarkt und den hohen Unternehmensinvestitionen.

Auch der Arbeitsmarkt bleibt stark, und die Zahl der freien Stellen steigt weiter an, wie aus den Daten des Stellenvermittlers Indeed hervorgeht. Dies könnte der Europäischen Zentralbank die Zuversicht geben, ihr pandemisches Notprogramm zum Ankauf von Anleihen im nächsten Jahr zurückzufahren, sodass die Wirtschaft der Eurozone in den nächsten zwei Quartalen wieder auf das Niveau vor der Pandemie zurückkehren kann.