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Die umsichtige Herangehensweise der Schweiz an die Bekämpfung des Virus

By Ipek Ozkardeskaya
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Die umsichtige Herangehensweise der Schweiz an die Bekämpfung des Virus

Die Schweiz ist, wie die meisten Länder, schwer von der Coronavirus-Pandemie betroffen. Mitte März verhängten die politischen Entscheidungsträger der Schweiz für mehr als einen Monat den nationalen Notstand und ordneten für alle Schulen, Kindergärten, Geschäfte, Restaurants, Cafés und öffentlichen Unterhaltungs- und Vergnügungsstätten die Einstellung ihrer Aktivitäten bis mindestens zum 19. April an.

Abgesehen vom Herunterfahren des öffentlichen Lebens, haben viele Fabriken ihre Produktion eingeschränkt oder eingestellt, um die Gefahr einer Ansteckung mit dem Virus einzudämmen, aber auch weil einige Mitarbeiter positiv auf das Coronavirus getestet wurden und viele sich aus gesundheitlichen oder persönlichen Gründen weigern, zu arbeiten.

Das Leben hat sich in der Schweiz, wie auch in den meisten Ländern der Erde, in einem beispiellosen Masse verlangsamt. Die Wirtschaftsaktivität hat sich bedrohlich abgeschwächt, obwohl die Schweiz keine strikte Ausgangssperre für die Bevölkerung angeordnet hatte, sondern ein Mindestmass an Flexibilität für die Schweizer Haushalte und Unternehmen zuliess, damit sie weiterhin arbeiten konnten, wenn auch in einem deutlich gedrosselten Tempo.

An der Schwelle zur wirtschaftlichen Rezession.

In Anbetracht der extremen Umstände haben die strengen, aber notwendigen Eindämmungsmassnahmen schwerwiegende Auswirkungen auf die Schweizer Wirtschaft. Der nahezu vollständige wirtschaftliche «Shutdown» macht allen Ebenen der Wirtschaft zu schaffen, angefangen von den Haushalten über die kleinen und mittleren Unternehmen bis zu den Grossunternehmen.

Dies gilt umso mehr, als der E-Commerce und das Online-Geschäft in der Schweiz im Vergleich zu den meisten anderen Ländern viel weniger entwickelt sind, da Logistikleistungen in der Schweiz äusserst kostspielig sind. Die Schweizer Einzelhandelsriesen werden mit einer Flut von Bestellungen überschwemmt, die sie nicht verarbeiten können. Die meisten Geschäfte wurden von einer plötzlichen Änderung des Einkaufsverhaltens in weiten Bereichen überrascht.
Zudem ist die Schweiz für ein breites Spektrum von Gütern und Dienstleistungen ein Nettoimporteur. Folglich unterbrechen geschlossene Grenzen den Strom der Güter und Arbeitskräfte in das Land hinein und aus dem Land hinaus. Dies stellt angesichts der gegenwärtigen internationalen Abschottungen eine zusätzliche kurzfristige Bedrohung der Finanzstabilität dar.

Die Wirtschaftsprognosen warnen davor, dass sich die Welt an der Schwelle einer Rezession befindet, die schwerer sein dürfte als die im Jahr 2000 von der Dotcom-Blase und in den Jahren 2007 bis 2008 von der Subprime-Krise ausgelösten Rezessionen.

Die aktuellsten Wirtschaftsdaten zeigten bereits im Februar eine Schwäche bei den harten Zahlen an, als die Verbraucherpreisinflation der Schweiz wieder in negatives Terrain rutschten. Angesichts der deutlichen Abschwächung der Aktivität im Einzelhandel dürften die Umsätze und die Inflation in den kommenden Monaten deutlich sinken. Wir rechnen inmitten der vollständigen landesweiten Schliessung der Ladengeschäfte ausserhalb des Lebensmittelsektors mit einem Einbruch der Umsatzzahlen im zweistelligen Prozentbereich.

In dieser Hinsicht haben die vorläufigen Zahlen der Einkaufsmanagerindizes in den europäischen Ländern beunruhigende Hemmnisse für die Wirtschaftsaktivität bestätigt. Der Dienstleistungssektor, der in den westeuropäischen Ländern eine bedeutende Rolle spielt, verzeichnete die stärksten Rückgänge.

Das Schlimmste steht noch bevor, und die Schweiz wird wahrscheinlich infolge der schwerwiegenden Talfahrt der Weltwirtschaft ihr Stück vom Kuchen schrumpfen sehen.

Ruhig bleiben und weitermachen.

Anders als in den meisten Ländern sind die staatlichen Stellen in der Schweiz der massiven wirtschaftlichen Lawine, die die Schweizer Wirtschaft in weitem Masse zu überrollen droht, mit kühlem Kopf begegnet.

Trotz einer bevorstehenden brutalen Rezession beschloss die Schweizerische Nationalbank (SNB) bei ihrer Sitzung im März, die Zinsen unverändert auf ihrem gegenwärtigen Stand von -0.75% zu belassen. Die politischen Entscheidungsträger der Schweiz sind der Ansicht, dass eine weitere Zinssenkung der Wirtschaft nicht guttun, sondern im Gegenteil schaden würde.

Ihre Beurteilung ist wahrscheinlich korrekt. Niedrige bis negative Zinssätze haben bei den finanziellen Säulen des Landes wie den Banken und den Pensionsfonds seit mehr als einem Jahrzehnt einen schweren Tribut gefordert. Daher könnte nach dem Szenario der SNB die Heilung durch niedrigere Zinsen schlimmer sein als die Krankheit selbst.

Im Vergleich dazu verfolgten die Bank of Japan und die Europäische Zentralbank, die ebenfalls negative Zinssätze haben, dieselbe Argumentation, kündigten aber trotzdem ansehnliche alternative Interventionsmassnahmen an, unter anderem massive Wertpapierankäufe zur Unterstützung der Finanzmärkte.

Die SNB tat nichts in dieser Hinsicht, ausser darauf zu bestehen, dass sie ihre direkten Interventionen an den Devisenmärkten fortsetzen würde, um einer unerwünschten Stärke des Schweizer Franken entgegenzuwirken. Und das, obwohl die Schweiz von den USA auf die Beobachtungsliste der Währungsmanipulatoren gesetzt wurde.

Die Schweizer Regierung kündigte auch kein umfassendes fiskalisches Hilfspaket an. Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch, Direktorin des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO), erklärte, es sei wichtig, dass wir keine Art von Helikoptergeld, Subventionen oder Wirtschaftsprogrammen haben, die nur langfristig wirken, aber nicht kurzfristig helfen. Demzufolge wird sich die Schweizer Regierung wahrscheinlich für die gezielte Unterstützung von Unternehmen und Haushalten entscheiden, die von der Krise schwer betroffen sind, um ihnen bei der Bewältigung kurzfristiger Liquiditätsengpässe zu helfen und vermeidbare Insolvenzen und Zusammenbrüche zu minimieren, aber auch nicht mehr.

Die SNB gewinnt eine Schlacht, aber nicht den Krieg gegen den starken Schweizer Franken.

Der Schweizer Franken, eine traditionelle Fluchtwährung in Krisenzeiten, legte vor dem Hintergrund einer Flucht in sichere Anlagen stark zu, bevor die SNB ankündigte, dass sie über die direkten Währungsinterventionen hinaus nicht plane, zusätzliche Massnahmen zur Stützung der Wirtschaft zu ergreifen.

Indessen bestätigte ihre Bilanz, dass die SNB seit Beginn des Jahres ihre Verlautbarungen auch in die Tat umgesetzt hat, um die durch Sicherheitsbestrebungen motivierten Kapitalzuflüsse zu bewältigen, die eine unerwünschte Aufwertung des Schweizer Franken verursachten.

Somit wurde die Stärke des Franken durch eine glaubwürdige Kommunikation der Zentralbank in Grenzen gehalten, wie auch durch die Besorgnis, dass die mangelnde geldpolitische und fiskalische Unterstützung einen stärkeren Tribut von der Schweizer Wirtschaft fordern würde als im umgekehrten Fall.

Beim Schweizer Franken scheint die SNB zwar eine Schlacht gewonnen zu haben, aber noch nicht den Krieg. Die SNB muss mit ihrer Strategie ständig an der Spitze der Entwicklungen stehen, um sicherzustellen, dass die unerwünschte Beliebtheit ihrer Währung nicht mittel- und langfristig den Schweizer Exporten schadet.

Die begrenzte Exposition der Schweizer Aktien gegenüber den meisten betroffenen Sektoren könnte Kursrückgänge abfedern.

Der Schweizer Marktindex SMI brach während der weltweiten Coronavirus-Verkaufswelle um mehr als 30% ein, relativ gesehen allerdings weniger stark als die entsprechenden US-amerikanischen und europäischen Indizes, da die Exposition des SMI gegenüber den am stärksten angeschlagenen Sektoren wie Energie und Flugreisen dem Schweizer Markt während des starken weltweiten Gegenwinds einen gewissen Schutz bot.

Ein kurzer Blick auf die Zusammensetzung des SMI zeigt, dass der Schweizer Markt keine Exposition gegenüber Energieaktien hat und Grundstoffe nur für einen winzigen Anteil von 1.8% des Index stehen. Andererseits machen die Konsumgüter- und Gesundheitssektoren mehr als zwei Drittel des Schweizer Index aus.

Der Umstand, dass Nestlé, Roche und Novartis für mehr als 51% der gesamten Marktkapitalisierung stehen, trug zur Beruhigung strapazierter Nerven bei, da diese drei Unternehmen wirklich ermutigende Ergebnisse für das erste Quartal bekanntgeben und die Markterwartungen, die durch die Virus-Verkaufswelle zugrunde gerichtet wurden, verbessern dürften.

In einem Monat, in dem nur Lebensmittelgeschäfte, Apotheken und Drogerien ihren Betrieb weiterführen können, dürften Roche und Novartis nur einen begrenzten Umsatzrückgang verzeichnen. Dagegen könnten die geschlossenen Restaurants und Kaffeehäuser für Nestlé bei seinem plötzlich gewachsenen Marktanteil an den Ernährungsausgaben der Verbraucher ein wahrer Segen sein. Ob der vorübergehende Umsatzhöhepunkt von Nestlé dem Unternehmen einen dauerhaft positiven Impuls verleiht, bleibt noch abzuwarten.

Wenn wir von der Schweiz sprechen, können wir auch nicht den Bankensektor des Landes ausser Acht lassen, der mehr als 21.6% des SMI Index ausmacht. Während zu erwarten ist, dass die weltweit niedrigeren Zinsen die Gesamtrentabilität der Banken belasten werden, dürften die Schweizer Banken nur einen begrenzten Rückgang ihrer Zinserlöse erleiden, wohingegen der sprunghafte Anstieg der Marktvolatilität und die höhere Handelsaktivität die Ergebnisse des ersten Quartals verbessert haben könnten. Die Bankgeschäfte mögen zurückgegangen sein, kamen aber nicht zum Erliegen, da die Bankmitarbeiter zum ersten Mal in der langen Bankengeschichte der Schweiz nach Hause geschickt wurden, um von dort aus zu arbeiten.

Wir wissen, dass die Lage schlecht ist. Wir wissen aber nicht, wie schlecht.

Betrachtet man die guten und die schlechten Seiten, wird die Coronavirus-Krise in der Schweizer Wirtschaft ihre Spuren hinterlassen. Da die Entwicklung der Lage aber während wir diese Zeilen schreiben schnell voranschreitet, wissen wir nicht, wie stark sich die Weltwirtschaft und die Schweizer Wirtschaft infolge des Covid-19-Ausbruchs abschwächen werden und wie lange die wirtschaftliche Tragödie dauern wird.

Die staatlichen Stellen der Schweiz haben deutlich gemacht, dass sie keine schweren Geschütze auffahren werden, um die Wirtschaft unnötigerweise zu berieseln. Wir sind jedoch zuversichtlich dass die SNB und die Regierung über die finanzielle Stärke verfügen, um zur rechten Zeit mässigend auf eine Abschwächung der Konjunktur zu reagieren.